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Hier finden Sie einige Artikel anlässlich Einzel- oder Gruppenausstellungen
Kurze Rede zur Eröffnung der Ausstellung

„Ausgewählte Bilder“

von Rodion Farjon

vom 16.09.-15.10.2001

in den Räumen der Stadtbücherei Emden

Im Rahmen meiner bisherigen Ausstellungen ist von anderer Seite darauf hingewiesen worden, dass meine Bilder der „engagierten“ Kunst zuzurechnen sind. Mir ist zwar bis heute nicht klar, wie denn die „nicht-engagierte“ Kunst aussähe, aber ich bin bereit, mich in diese Schublade stecken zu lassen. Ich bin nämlich der Meinung, dass es keine Kunst ohne Engagement geben kann. Insofern ist dieses Adjektiv im Bereich der weißen Schimmel oder der runden Kreise anzusiedeln.

Aber lassen wir uns einmal auf die näheren Umstände ein, die zu dieser Zuordnung führten, um zu sehen, welche Hilfen der Betrachter durch sie an die Hand bekommt:

Von Zeit zu Zeit fragt man mich, was ich denn so male, Porträts oder Landschaften oder Abstraktes oder Öl ... Meine Antwort fällt vielleicht etwas dürftig aus, da ich meistens nur verneinend oder zumindest einschränkend antworten kann, weil ich der Wahrheit doch keine Gewalt antun und die Leute nicht mit falschen Vorstellungen zurücklassen möchte.

Sicher, ich habe schon Porträts gezeichnet, ich benutze auch die Landschaft als Element meiner Bilder; sicher, es gibt auch Abstraktes, vor allem wenn es um die Idee hinter dem Bild geht, und Öl habe ich auch schon bei der Arbeit benutzt, allerdings weitaus öfter zum Kochen. Sardinen in Öl, das wäre da ein Kompromiss, obwohl ich mir die Leinwand erst noch kaufen müsste ...

Im Übrigen besagen diese Auskünfte nicht viel über den Inhalt eines Bildes, und wenn ich entscheiden müsste, wie ich die Inhalte umschreiben soll, bleibt mir nicht viel mehr, als auf einige Phänomene zu verweisen, sowie auf meine Art, mit ihnen umzugehen.

Da ist zum Beispiel das Phänomen der Sprache. Wie Ihnen schon bei den Sardinen in Öl aufgegangen sein wird, steckt unsere Art zu kommunizieren voller „Abkürzungen“ und anderer Unklarheiten, die, manchmal gewollt, meistens jedoch ungewollt, zu Verwirrungen führen. Diese können ein gerütteltes Maß an Komik in sich tragen. Schließlich beruht fast jeder Witz auf diesen Kurzschluss-Effekt. Wenn ich als Maler von „Sardinen in Öl“ spreche, ist nicht klar, ob ich die profane Dose mit eingelegtem Fisch meine, oder ob sie sich eine Leinwand vorzustellen haben mit dem Abbild einiger Fische, Sardinen eben, in Öl gemalt. Ist auf der Leinwand eine Dose mit genanntem Inhalt abgebildet, verdoppelt sich der Effekt sogar noch. Sicherlich lassen sich solche Zweideutigkeiten umgehen, aber: wollen wir das immer? Allerdings tritt die Doppeldeutigkeit auch da auf, wo sie nicht bewusst eingesetzt wird. Und da wird es für mich interessant. Viele geheime Gefühle, Gedanken und Überzeugungen verraten sich in unbedachten Momenten durch eine gewählte oder auch ungewollte Formulierung. Politiker bedienen sich einer Sprachhülsentaktik, um solche verräterischen Äußerungen zu vermeiden. Es ist erstaunlich, wie viel selbst aus diesem blutleeren Vokabular noch herauszulesen ist.

Ein weiteres Phänomen ist das der Nutzung von neutralisierenden Begriffen zur Verschleierung bestimmter Tatsachen. Bei den berühmten "Jahresend-Schwebefiguren", die in der ostdeutschen Weihnachtszeit die Wohnzimmer schmückten um das Wort "Engel" nicht im Zusammenhang mit dem Sozialismus nennen zu müssen, ist die Sache klar und wegen der Lächerlichkeit auch ungefährlich. Viel häufiger sind jedoch die Fälle, in denen bestimmte Gruppierungen oder Nationen ethische Begriffe für sich in Anspruch nehmen, um sich von den "Anderen" abzugrenzen oder, was fast automatisch damit einher geht, sich über die "Anderen" zu erheben. Wenn es keine ökonomischen Gründe gibt, bietet sich immer noch die Religion an. Denn man kann die Religion natürlich als ausgezeichneten Hebel nutzen, um die Emotionen dahin zu lenken, wo man sie braucht.
Emotionen sind eben nicht vernünftig, ebenso wenig wie es oft die Ziele und Methoden der Drahtzieher sind. Man kann sich auf einen Überparteiischen berufen, findet immer irgendeine Bestätigung in der jeweiligen Heiligen Schrift und fühlt sich quasi über das menschliche Urteil erhaben. In einem solchen „heiligen“ Krieg haben bestimmte Wörter eine ganz eigene, absegnende Bedeutung. Das Wort „Frieden“ hat in dieser Hinsicht eine traurige Tradition. Es geht allerdings auch subtiler. Es wird wohl kaum jemand wagen, sich negativ über Begriffe wie „Menschenrechte“ und „Demokratie“, über „Freiheit“ und „Recht“ zu äußern. Und das bietet ein weites Feld an Möglichkeiten zur Verschleierung und Täuschung. Entgegen aller Beteuerungen werden diese Werte immer noch den politischen und ökonomischen Interessen untergeordnet. Immer noch schaut man weg, wenn es von Vorteil ist, die Missachtung dieser Rechte nicht zu sehen. Immer noch werden Menschenrechte auch in Staaten missachtet, die sich zur Rechtsstaatlichkeit bekennen, immer noch kann Russland in Tschetschenien wüten, immer noch kann die Türkei gegen eigene Landsleute vorgehen, die nichts als das Pech haben, Kurde zu sein, immer noch ist die Todesstrafe im Rechtsbewusstsein der Vereinigten Staaten eine Selbstverständlichkeit. Immer noch werden die grausamsten Diktaturen in gute und schlechte eingeteilt, je nachdem ob man ihnen aus politischem und ökonomischem Interesse eine nützliche oder schädliche Rolle zuteilt. Immer noch werden Völker „befreit“, wenn es die politischen und ökonomischen Interessen verlangen, während es anderen Völkern immer noch zugemutet wird, unter Diktaturen zu leiden, weil die Diktatoren zufälligerweise auf sprudelnden Ölquellen oder an einer strategisch wichtigen Stelle sitzen. Immer noch haben die Mächtigsten die Möglichkeit, beliebig das „Recht“ durchzusetzen oder Fünfe gerade sein zu lassen.

Vor einigen Tagen sind wir auf sehr brutale Weise mit der auf die Spitze getriebenen Perversion solcher Begriffe konfrontiert worden. Das, was in den für kommerzielle Erfolge hochsensiblen Hirnen einiger Filmproduzenten schon vor Jahren als Phantasien herumspukte und seinen Niederschlag in einer Flut von Rambofilmen fand, in denen allerdings der große Held alles richtete, wurde von anderer Seite in die grausame Tat umgesetzt. Solche Anschläge werden im Namen einer Religion und einer Gerechtigkeitsideologie verübt. Die Rechtfertigungen solcher Massenmörder lesen sich so, wie die abgedroschenen Sprüche aus solchen radikalen Kreisen sich eben anhören. Mit differenzierten Betrachtungen lassen sich nun mal keine „Märtyrer“ heranziehen. Weil sie irrational handeln, ist ihnen mit Appellen an die Vernunft oder mit der Frage, ob Unrecht mit Unrecht vergolten werden darf, nicht beizukommen.

Es steht allerdings zu befürchten, dass bei der Bekämpfung solcher Mörder wieder mal um Kilometer zu kurz gegriffen wird. Bisher wurde auf Wildwest-Manier „Vergeltung“ geübt, Rambo läßt grüßen. Auch jetzt ist wieder von Vergeltung, von Feldzügen die Rede. In einem Rechtsstaat heißt das aber immer noch: Verfolgung, Verhaftung, Verurteilung, Bestrafung. Der Grat zur Vergeltung von Unrecht mit Unrecht ist sehr schmal.

Die Anwendung von terroristischen Mitteln ist durch keine Begründung zu rechtfertigen. Kein Gott und kein Prophet darf zur Anwendung von Terror oder zur Verletzung von Menschenrechten missbraucht werden. Sicherlich ist zuerst dafür zu sorgen, dass die unmittelbare Bedrohung durch solche Gruppierungen unterbunden wird. Aber wenn die Politik bei diesem Schritt stehen bleibt, wird das Problem niemals gelöst sondern ständig verschlimmert werden. Für jeden getöteten oder bestraften Terroristen werden sich zwei neue finden. Jede „Vergeltung“ gibt den Anstoß zur Überschreitung der nächsten Hemmschwelle.

Solange die Politik der Mächtigen, egal wo auf der Welt, die Diktaturen einteilt in nützliche und böse, solange Waffenlieferungen und Guerillaausbildung als Mittel angesehen werden, Macht und Interessen zu sichern, solange die Verlogenheit und der Opportunismus Teil des politischen Instrumentariums auch der „freien“ Welt sind, solange werden wir Opfer von Anschlägen wie die in New York zu beklagen haben.

Erst wenn die Einsicht, dass der Hunger und das Elend in der Welt, die Unterdrückung von nach Freiheit strebenden Völkern und die Unterstützung von Unrechts-Regimes aufgrund kurzsichtiger Eigeninteressen den Nährboden bilden für weiteres Unrecht und für Terror, erst wenn die „freie“ Welt selber bereit ist, ihre Ideale ernst zu nehmen, erst dann besteht die Hoffnung, dass es keine Menschen mehr gibt, die bereit sind für einen Platz dort oben im Himmel hier auf Erden die Hölle zu entfachen. Das Eigeninteresse ist keine Garantie für Handlungen im Sinne der Menschenrechte, solange es kurzsichtig für ökonomische und machtpolitische Zwecke eingesetzt wird. Die „zivilisierte“ Welt sollte allmählich begreifen, dass es ihr Eigeninteresse ist, sich selber ernst zu nehmen. Und die Einteilung der Welt in zivilisierte und nicht-zivilisierte Völker birgt eine große Gefahr, birgt auch einen Rest des historischen Überlegenheitsgefühls vergangener Jahrhunderte, in denen es Weiße und Neger, Menschen und Sklaven, Zivilisierte und Wilde, Kultur und Barbarei gab, immer fein säuberlich zum Vorteil der europäischen Staaten aufgeteilt und definiert. Solange die zivilisierten irischen Katholiken und Protestanten ihre eigenen Brüder und Schwestern mit Bomben in den Himmel befördern, solange die zivilisierten Basken ihre Landsleute in die Unabhängigkeit bombardieren wollen, solange ein Milosevic sein Minderheitenproblem durch Ausrottung zu erledigen versucht, solange Albaner ihm fleißig nachahmen, solange die Rüstungsindustrie sich in Krisengebieten eine mehr als goldene Nase verdient, sollten wir das Wort „Zivilisation“ nicht allzu freimütig für uns reservieren.

Der Gebrauch bestimmter Begriffe stellt eine Verpflichtung dar und setzt gleichzeitig voraus, dass man sich an seinen Taten messen läßt. In diesem Sinne gibt es noch vieles zu ändern, sowohl im Inland als auch im Ausland. Terrorismus darf keinen Nährboden mehr finden, und deshalb ist es so wichtig, dass die Mächtigen auf der ganzen Welt im eigenen Interesse endlich daran arbeiten, dass Unrecht auch dann Unrecht ist, wenn das Eigeninteresse (besser Staatsegoismus genannt) einem vormachen möchte, dass Duldung oder sogar Unterstützung die bessere Politik ist.

Aus gegebenem Anlass bin ich etwas tiefer auf einen der Beweggründe für meine Themenauswahl eingegangen. Allerdings sind solche Grausamkeiten wie die Anschläge in New York und Washington nicht annähernd zu malen.

Es gibt jedoch auf vielen anderen Gebieten ein ähnliches Gestrüpp an Floskeln und Vernebelungen, die, wenn schon nicht den Zweck, dann doch zumindest den Effekt haben, dass die Wirklichkeit auch der wildesten Phantasie immer noch um einige Längen voraus ist. Nehmen wir mal die Manipulationen am Erbgut. Während sich die Politiker die Köpfe heiß reden, ob und wie denn die Nutzung von menschlichen Embryonen und Stammzellen erlaubt sein soll, werden dieselben schon seit Jahren munter über den ganzen Globus hin- und hergeschoben und in Experimenten eingesetzt. Die Argumentierung, die der Unschlüssigkeit der Politik zugrunde liegt, ist geprägt von dem Widerstreit zwischen der Menschenwürde und den ökonomischen Interessen. Hatten wir das nicht schon mal, irgendwie?

In vielen meiner Bilder werden Sie (auch) auf diesen Komplex der menschlichen Unzulänglichkeiten stoßen. Aber es wäre mir zu traurig, wenn es für mich nichts anderes gäbe als die Beschäftigung mit solchen Auswüchsen und Widersprüchen. Glauben Sie mir, die Zeit, die ich lachend verbringe, übersteigt die Zeit des Grübelns bei weitem. Und die Registrierung der vielen kleinen Unzulänglichkeiten und von den humoristischen Seiten im Leben finden ebenso ihren Niederschlag in meinen Bildern. Aus dem Ausgeführten dürfte aber einigermaßen deutlich werden, weshalb ich mit der Bezeichnung „engagierte“ Kunst leben kann. Und was male ich denn nun?

Menschliches, würde ich antworten, Doppeldeutiges, Hintersinniges, Quergedachtes. Farbiges, Verwobenes, Mehrschichtiges, Augenzwinkerndes.

Engagiertes eben ...

Woltzeten, 16.09.2001

Beitrag facebook 08.02.2021

      Beitrag facebook, 18.04.2021

Anzeiger für das Harlingerland vom 25.07.2022

Generalanzeiger Leer, 14.06.2023

HarleKunst 2023 Carolinensiel

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