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Wenn einer eine Reise tut…


Ein Segeltörn II

Nach vielen Jahren war das Unvermeidliche gekommen: es hieß,Abschied zu nehmen von dem guten alten Jollenkreuzer, mit dem Peter und ich so viele Jahren so schöne und interessante Törns gemacht hatten. Die notwendigen Reparaturen überstiegen finanziell und zeitlich Peters möglichkeiten, auch wenn andere ihm gerne halfen.       
Beim letzten großen Törn entlang der Niederländischen Watteninseln hatten wir mit viel Kunst- und fliegwerk den alten Faryman fast bis zuletzt am Laufen gehalten, obwohl der Zylinderkopf gerissen war. Auf der Rückfahrt war kurz vor Juist endgültig Schluss, es stieg nur noch schwarzer Qualm auf und der Motor starb einen langsamen Tod.   
Als wir vor Ameland auf dem Watt lagen, bekamen wir Besuch von einem neugierigen Deutschen, der übers Watt zum Schiff gelaufen kam und sich den Jollenkreuzer ansehen wollte. Er schwärmte von den alten Booten, die leider allmählich verschwanden. Peter reagierte in einer Art ferngesteuerten Eingebung und sagte: „Wollen sie das Boot haben? Ich schenke es Ihnen.“ Ich war zu überrascht um etwas zu sagen, was mir aber natürlich auch nicht zustand. Der mann fühlte sich veräppelt und reagierte einn Wenig süß-sauer. Peter wiederholte daraufhin sein Angebot. Er erklärte, weshalb er das Boot nicht länger halten konnte, erwähnte die vielen Macken und sagte, dass er es nicht verschrotten wollte. Wenn es einen Bastler gäbe, der sich die Zeit nehmen wollte, das Boot wieder flott zu machen, sollte der es geschenkt bekommen.     
Jetzt wurde das Gespräch ernsthaft geführt. Der Mann erklärte, dass er selber keine Zeit hätte, aber sein Bruder würde schon länger nach einem Boot suchen. Er gab Peter die Adresse und Telefonnummer und versprach, seinen Bruder anzurufen.       
Um es kurz zu machen: der Bruder biss an und Peter machte einen Termin in Norddeich ab, an dem er das Boot besichtigen konnte. Er brachte einen Außenborder mit, der allerdings nur klein war. Und dann sorgte der Vorführeffekt dazu, dass der Motor nicht ansprang. Auch nach vielen Versuchen war er nicht zum Leben zu erwecken. Wir erklärten, für eine Alternative zu sorgen und der Mann fuhr nach Hause. Das Zuhause war an der Oste, kurz vor Bremervörde. Dorthin sollten Perter und ich den Jollenkreuzer überführen.       
Wir waren etwas in der Zwickmühle, denn der Außenborder von Peter war in der Reparatur. Deshalb hatte der Eigentümer in spé den Außenborder gebracht. Glücklicherweise konnten wir den Werkstattbesitzer überreden, am Samstag zur Halle zu kommen und den Motor fertig zu machen. Mit dem Motor fuhren wir zum Boot und montierten ihn. Es wurde Zeit, abzulegen. Schon in der Fahrrinne zum offenen Watt fing der Außenborder an, zu stottern. Wir beschlossen, trotzdem weiter zu fahren. Der Zeitplan war straff. Der Wind stand ungünstig, was uns zwang, große Strecken unter Motor zurück zu legen. Der Weg führte übers Watt ostwärts. Das Revier war uns bis Mellum gut bekannt. Inzwischen hatten wir die Macken des Motors im Griff und konnten am nächsten Tag die Überquerung nach Bremerhaven angehen. Es war ruhig, aber etwas diesig. Ein Regenschauer machte die Fahrt unangenehm. Weit weg von der Küste bekamen wir Besuch von einem kleinen Gast. Ein Rotkehlchen landete erschöpft an Deck. Als es sich erholt hatte flog es weiter in Richtung Küste. Wir wünschten guten Flug. Die Fahrt musste unter Motor bewältigt werden, da wir Gegenwind hatten. Der Wattenweg war nur bei Hochwasser zu bewältigen. Deshalb mussten wir auf halbem Wege pausieren. Der Rhythmus von schlafen, essen und fahren richtete sich nach der Tide. Als wir wieder genug Wasser hatten setzten wir die Fahrt unter Motor fort in die Außenweser. Die Strecke nach Bremerhaven war lang und wegen des Schiffsverkehrs anstrengend.            
In Bremerhaven waren wir schon einmal mit dem Boot gewesen. Dieses Mal steuerten wir die Einfahrt zur Geeste an. Wir hatten beschlossen, die längere Strecke binnendurch zu nehmen, um bei den Macken des Motors sicherer zu sein. Vor der Brücke legten wir an. Nach einem Tee legten wir den Mast. Wir würden sowieso nicht mehr segeln können. Danach wollten wir nach einer Schiffsausrüstung suchen, um dort den Außenborder durchsehen zu lassen. In der Umgebung gab es aber keine Werkstatt die geöffnet hatte. Wir überlegten, was die Ursache für die Aussetzer sein könnte und bauten den Vergaser auseinander. Von einem anderen Boot am Anleger kamen zwei Männer herüber. Sie versuchten, uns mit Rat und Tat beizustehen, aber auch sie mussten sich geschlagen geben. Einer von beiden rief seinen Bruder an und der meinte, wir sollten uns den Tank mit der Zuleitung mal vornehmen. Das hatten wir schon gemacht. Daraufhin fiel im Nebensatz eine Bemerkung über die Positiion des Tanks. Wir hatten den oben an Deck plaziert. Der Bruder meinte, dass der Motor so absaufen würde und riet uns, den Tank tiefer zu stellen. Ein Probelauf schien seine These zu bestätigen.      
Am nächsten Morgen fuhren wir die Geeste hoch, die in Bremerhaven einige sehr enge Schleifen bildet. Der Motor lief ohne Probleme und wir genossen die Fahrt durch die Landschaft. In einem großen Bogen näherten wir uns Bederkesa. Von dort ging es weiter bis nach Otterndorf. Dort legten wir vor der Schleuse an und machten Feierabend. Der Motor hatte durchgehalten, was aber wohl daran lag, dass er ständig auf halbe Kraft lief und wir kaum etwas ändern mussten. Nur beim Schleusen hatte er wieder gebockt.  
Der Morgen bescherte uns gutes Wetter und wir fuhren durch die Schleuse auf die Weser hinaus. Die Strecke bis zur Einfahrt der Oste war nicht weit. Anfangs hatten wir Strom gegen, da das Wasser ablief. Die Strömung in der Oste ist dann recht stark. Die Tide läuft bis nach Bremervörde. Wir hatten eine lange Strecke vor uns. Sie war aber nicht uninteressant und wir konnten es gemütlich angehen. Bei Hemmoor rumpelte die Schwebefähre von einem Ufer zum anderen. Wir fuhren immer weiter. Auf einem privaten Bootssteg lag ein Seehund in der Sonne. Das wunderte uns, war aber wohl eine normale Erscheinung. An manchen Stellen war der Deich zurückverlegt worden, um so Puffer zu schaffen. Dort lebten viele Wasservögel. Die Strömung lief jetzt flussaufwärts und gab uns Schub. Der Motor lief mit niedriger Drehzahl. So näherten wir uns unser Ziel, der Sportbootshafen bei Elm. Peter hatte den zukünftigen Besitzer angerufen und der hatte uns erklärt, wo wir anlegen sollten. Entlang des Ufers war ein Steg vorhanden und dort war ein freier Platz. Als wir ankamen hatren wir viel fahrt. Die Strömung trieb uns unaufhörlich voran. Da die Oste dort schon zu schmal war um das Boot mit den nach hinten überstehenden Mast zu drehen, mussten wir voraus anlegen. Normalerweise dreht man gegen den Strom und kann das Boot so langsam an den Steg bugsieren. Ich stand an der Reling um eine Spring zu legen, wenn wir beim Anleger waren. Peter stand am Ruder und steuerte das Boot längsseits. Als er den Außenborder vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang schaltete, fiel der Motor aus. Somit konnten wir die Gesvhwindigkeit nicht drosseln. In dem Moment, in dem ich auf den Steg springen wollte, hatte Peter sich vom Ruder weggedreht um den Motor anzuwerfen. Dadurch änderte sich die Ruderstellung und als ich übersprang drehte sich das boot weg vom Steg. Ich landete mit einem lauten Dröhnen in voller Länge auf dem aus Aluminiumplatten bestehenden Steg und konnte gerade ein Bad in der Oste verhindern. Das Boot hatte aber noch volle Fahrt und ich wurde von der Leine mitgezogen. Bevor ich alle Sinne wieder zusammen hatte rummsten wir gegen das vor uns liegende Boot. Zum Glück war das eine massive Stahlyacht. Die Spring, die ich legte, konnte nicht viel mehr ausrichten. Das Boot drehte mit dem Heck in den Strom und drohte quer zu schlagen. Vom Bootshaus kam ein mann angerannt, der die Situation erfasst hatte. Er übernahm von Peter, der noch im Heck stand, eine Leine, rannte an mir vorbei und zog das Boot zurück an den Steg. Ich hatte mich inzwischen aufgerappelt, konnte aber nicht viel mehr tun, als die Spring neu festzulegen. Der Mann war der neue Besitzer der Jolle. Er nahm uns mit zum Bootshaus. Die Gäste, die draußen saßen und alles mitbekommen hatten, bekamen von mir den Rat, die Geschehnisse der letzten fünf Minuten aus dem Gedächtnis zu streichen. Ein so misslungenes Anlegemanöver vergisst man besser so schnell wie möglich. (Warum erinnere ich mich denn so lebhaft?)          
 Bei einem Bier erholten wir uns. Peter wickelte die Übergabe des Bootes ab. Wir sollten noch an Bord übernachten und am nächsten Tag mit dem Sohn des neuen Eigners zurück nach Hause fahren. Am abend, als wir gegessen hatten, sprachen Peter und ich noch lange über den Tag und darüber, ob es richtig war, ein Boot einfach so zu verschenken. Es war jedoch klar, dass es das Beste war. Es fiel Peter merklich schwer, die lange Ära mit eigenem Boot zu beenden.   
 Am nächsten tag wurden wir vom Sohn des neuen Besitzers nach Hause gefahren. Der letzte Törn war beendet.

© 2021 Rodion Farjon

In lockerer Reihenfolge werde ich hier über meine Aktivitäten Auskunft geben, Texte, Gedichte, Sprüche und Bilder veröffentlichen, die neben den Beiträgen auf meiner Homepage den aktuellen Stand meiner Tätigkeiten wiederspiegeln.

Ich hoffe, die Beiträge machen neugierig auf mehr.

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