Corona hat uns fest im Griff. Die Infektionszahlen sind Besorgnis erregend. Der "Shut-down" wird verlängert. Allmählich geht er wohl jedem auf den Wecker. Es werden inzwischen zu Recht Fragen nach der Wirksamkeit der Maßnahmen gestellt. Obendrein werden Stimmen laut, die das Regieren nach Verordnung kritisch sehen. Das Parlament kann nur noch nachträglich abnicken, was die Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -Präsidenten verabredet hat.
Nun ist es sicher nicht leicht, die Pandemie zu kontrollieren. Die Wissenschaft ist zwar hilfreich, aber sie kann nicht regieren und Erkenntnisse in politisches Handeln umsetzen. Zudem stochert auch sie teilweise im Dunkeln. Dass es zu Fehleinschätzungen kommt ist unvermeidlich. Darum ist es ungerecht, bei jedem (vermeintlichen) Fehler auf "schuldig" zu plädieren.
Aber da gibt es einige Entwicklungen, die Fragen aufwerfen. In der Hauptsache dreht es sich um die einseitige Konzentrierung auf die Kontaktvermeidung. Richtig ist, dass die Ansteckung über Kontakte verläuft. Aber es gibt mehrere Möglichkeiten hier einzugreifen. In anderen Ländern ist man konsequenter, wenn es um die Verfolgung von Ansteckungen geht. Warum hat man hier nicht die Möglichkeiten der Nachverfolgung genutzt, die mit den neuen Techniken möglich sind? Der Ansatz, mittels eines Apps Begegnungen nachvollziehen zu können, wurde so lange zerredet, bis es ein fußlahmes App gab, das wirkungslos ist.
Die Schulen bekamen als Lösung ein Konzept, dass bildungsferne Familien und Familien, die an der Armutsgrenze existieren, nicht umsetzen können. Bei mehreren Kindern ist das "Homeschooling" unmöglich. Die Schulen, die bekanntlich noch nie ausreichend mit modernen Lernmitteln versorgt waren, sollten mal eben auf die Schnelle alles umorganisieren. Und als Lösung zur Vermeidung von Aerosolen soll im Winter alle halbe Stunden gelüftet werden. Sofern sich die Fenster überhaupt öffnen lassen. In manchen Schulen sind sie so marode, dass sie bei dem Versuch, sie zu öffnen, herausfallen würden. Sie sind aus Sicherheitsgründen zugeschraubt. Unterricht mit Schal und Winterjacke? Und der Schulweg wurde weiterhin in überfüllten Bussen zurückgelegt.
Die Restaurants und Einzelhandelsgeschäfte wurden geschlossen. Obwohl es gute Konzepte gibt, dürfen sie nicht öffnen. Supermarktketten, die nicht nur Lebensmittel verkaufen, haben aber geöffnet. Die Registrierung der Besucher im Restaurant wurde von einigen Gästen unterlaufen, indem sie falsche Angaben machten. Aufgeschrieben mit Kugelschreiber auf Papier, oft in einer langen Liste, so dass man sehen konnte, wer schon alles da war. Im einundzwanzigsten Jahrhundert? In einem hochtechnisierten Land? Ja. Weil man sich stumpf auf die eigene Verwaltungsmaschinerie verlässt, die selber noch mit den Unzulänglichkeiten veralteter Systeme und Vorstellungen kämpft.
Verfolgung von Infektionsketten? Das war längere Zeit gleichfalls alles Handarbeit, ausgeübt von Personal, das anderswo fehlte. Die Bundeswehr wurde zu Hilfe gerufen, ein richtiger Schritt. Sie schafft es durch die straffe Organisation innerhalb von wenigen Tagen im Einsatz zu sein.
Schutz der Altenheime? Nur langsam kam es dazu, jeden, der dort arbeitet, zu testen.
Woran liegt es, dass alles so schwerfällig ist? Ich verweise da auf meine Thesen bei "Die blöde Karola". Mehr Kreativität, mehr Vorausdenken, mehr Lösungen auf längere Sicht. Der sprichwörtliche "Plan B". Einige Gemeinden zeigen, dass es durchaus Luft nach oben gibt. Der Bürgermeister von Rostock macht es vor. Ein dänischer Geschäftsmann, übrigens. Zufall? Meiner Meinung nach nicht. Aber wenn einer kreativer ist muss er damit rechnen, vom Kreis, Land oder Bund zurück gepfiffen zu werden. Bitte, schön hinten anstellen. Anstatt dass man die Idee aufgreift und prüft, ob der Ansatz nicht vielversprechend ist, wiehert der Amtsschimmel empört über so viel Amtsanmaßung.
Ein paar Punkte müssten doch bei dem Umgang mit den Problemen klar sein:
1. Wir werden dieses Virus nicht los. Wir können nur die Folgen reduzieren.
2. Ein ständiges Hin und Her zwischen Lockdown (gibt es da kein deutsches Wort?) und Lockerung können wir uns nicht leisten. Die Wirtschaft muss funktionieren.
3. Es wird nicht das letzte Virus sein, das uns in die Zange nimmt.
4. Neben der Erkrankungsgefahr gibt es andere Problemfelder. Die Schäden, die viele Kinder fürs Leben erleiden, auch wenn sie selber nicht erkranken, sind enorm. Wir werden noch schmerzlich merken, dass wir eine große Anzahl von Kindern an den Rand der Gesellschaft gedrängt haben.
Ich halte es für notwendig, einen "Masterplan" (ein deutsches Wort?) zu entwerfen, wie es weiter gehen soll. Dabei wird viel stärker auf die vier Punkte geachtet werden müssen, die ich oben genannt habe. Es muss viel mehr Personal rekrutiert werden, zum Beispiel von der Bundeswehr, um all die Tätigkeiten auszuüben, für die es keine langwierige Ausbildung braucht. So entlastet man das Personal an anderer Stelle. Und es wird viel Geld kosten. Endlich müssen die Versäumnisse im Schulwesen und anderswo beseitigt werden. Da wäre es gut, den Föderalismus mal zu überdenken und auf die moderne Gesellschaft auszurichten. Da gibt es einige alte Zöpfe abzuschneiden. Das hilft bei der Bewältigung von Problemen, von denen die Gründerväter und -Mütter der Republik noch nicht einmal träumen konnten.
Ich wünsche den Deutschen eine Regierung, die sich ohne Verzögerung an solche Sachen herantraut und ein Parlament, dass nicht darauf hinaus ist, alles was vom politischen "Gegner" kommt, aus Prinzip abzulehnen. Und ein Wort müsste unter Strafe gestellt werden: alternativlos.
Ach, wenn doch Weihnachten wär'!