Wer kennt die Frage nicht?
Obwohl: ich kann mir vorstellen, dass immer mehr Menschen noch nie beim Schlachter eingekauft haben, sondern alles abgepackt aus dem Kühlregal holen. Da fragt niemand, ob es etwas mehr sein darf. Da ist es einfach ein bisschen mehr. Oder auch weniger, das weiß man nie so genau. Oder kontrollieren Sie, ob die Gewichtsangabe stimmt?
Aber "ein bisschen mehr" ist in unserer Konsumgesellschaft die Triebfeder der Konjunktur. Unser System beruht auf dem Prinzip der ständigen Expansion. "Wachstum" ist das Zauberwort. Dieses System hat uns, weil wir an der "richtigen" Seite stehen, enorme Vorteile und Wohlstand gebracht. Erkauft wurde (und wird) dieser Wohlstand aber mit der Ausbeutung anderer Gesellschaften und der Natur.
Kritik an diesem System gibt es schon lange. Da uns aber allmählich bewusstwird, dass uns unsere Habgier auf die Füße fällt, wird der Protest lauter. Das ist gut so. Wie ich in "Die blöde Karola" schrieb, wird es höchste Zeit, nicht nur zu klagen, sondern zu handeln. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass vielen das Hemd näher ist als der Rock.
Die Infektionszahlen von Covid19 nehmen vor allem deshalb nicht ab, weil es in Teilen der Bevölkerung als Zumutung empfunden wird, sich etwas einzuschränken. Maske tragen? Freiheitsberaubung! Kein Feuerwerk zu Silvester? Unerhört!
Dabei würde alles nur halb so schlimm sein, wenn die Menschen sich etwas bescheiden würden. Wir müssen nicht ganz auf das Feuerwerk verzichten. Wenn man jedoch sieht, welche Ausmaße die Ballerei angenommen hat, versteht man, was falsch läuft. Wie in anderen Bereichen reicht es nicht, genau so viel abzufeuern wie im Jahr zuvor, es muss mehr sein, mehr, mehr, mehr! Und man geht nicht um 0:00 Uhr vor die Tür und wünscht den Nachbarn ein gutes neues Jahr, man feiert in großem Stil. Aber Menschenanhäufungen, Feiern in größeren Gruppen mit Alkohol und "Party machen" sind kontraproduktiv. Und weil die Vernunft ungleich verteilt ist, helfen Apelle nichts. Wir sind über einige Generationen aufgewachsen mit dem Motto, dass "mehr" automatisch "gut" ist. Es durfte nicht nur ein bisschen mehr sein, nein, wir hatten ein Anrecht auf "mehr".
Wir müssen aber das Wirtschaftssystem ändern, die Erderwärmung, das Artensterben, die Verschmutzung der Umwelt, die Überbevölkerung, der Hunger und viele andere Probleme wachsen uns über den Kopf. Das Motto "mehr, mehr, mehr!" führt uns direkt in den Abgrund.
Im Großen wie im Kleinen laufen wir Gefahr, unsere Zukunft zu verspielen. In Zeiten, in denen die Risiken wachsen, wächst auch das unbestimmte Gefühl der Ohnmacht. Wenn dann "die da oben" keine Führung übernehmen und die Probleme aussitzen oder ziemlich ratlos erscheinen, dann riskiert man, dass anstatt nach Führung nach einem "Führer" gerufen wird. Dass der nicht der Heiland ist, müsste jedem klar sein. Ist es aber nicht, und das vergrößert die Gefahr. Da kann man nur hoffen, dass "die da oben" rechtzeitig in die Pötte kommen.
Ich bin gespannt...